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== 1 Gülleansäuerung im Stall ==
Durch die Langzeitansäuerung von Flüssigmist mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert unter 6 können die Emissionen von Ammoniak und Methan in Ställen mit perforierten Böden reduziert werden.
Durch die Langzeitansäuerung von Flüssigmist mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert unter 6 können die Emissionen von Ammoniak und Methan in Ställen mit perforierten Böden reduziert werden.
=== 1.1 Technische Beschreibung ===
Die Freisetzung von gasförmigem Ammoniak (NH<sub>3</sub>) aus der flüssigen Phase basiert auf dem pH-Wert-abhängigen chemischen Gleichgewicht zwischen Ammoniak und Ammonium (NH<sub>4</sub><sup>+</sup>). Durch Zugabe von Säure zu flüssigen Wirtschaftsdüngern wird das NH<sub>4</sub><sup>+</sup>/NH<sub>3</sub>-Gleichgewicht in Richtung Ammonium verschoben. Der für eine wirksame Verringerung der NH<sub>3</sub>-Emissionen aus dem Flüssigmist anzustrebende pH-Wert sollte unter 6 liegen (Kaupenjohann et al. 2019). In der Praxis wird ein pH-Wert von 5,5 empfohlen (The Danish Ministry for the Environment 2015).
Zur Ansäuerung wird in der Regel technische Schwefelsäure (Konzentration: 96 %) eingesetzt. Es können aber auch andere organische und anorganische Säuren verwendet werden (Kaupenjohann et al. 2019). Die Menge der Säure richtet sich nach der Pufferkapazität des Flüssigmists und dem angestrebten pH-Wert. Bei Rinderflüssigmist wird eine geringere Menge an Säure benötigt als bei Schweineflüssigmist oder Gärresten (LfL 2020, Kaupenjohann et al. 2019).
In der Praxis wird der Flüssigmist zur Ansäuerung in einen Mischtank außerhalb des Stalls befördert (Abb. 1). Die Zumischung der Schwefelsäure erfolgt täglich oder mehrmals pro Woche, gesteuert durch eine gleichzeitige pH-Messung bis zum Ziel-pH-Wert (Kupper 2017). Da Flüssigmist eine hohe Pufferkapazität aufweist, und der pH-Wert daher nach Säurezugabe wieder ansteigen kann, ist es notwendig, den pH-Wert im Mischbehälter nach kurzer Zeit zu kontrollieren. Um die Bildung von Schaum (Fangueiro et al. 2015) und von Schwefelwasserstoff (Botermans et al. 2010) zu vermeiden, wird der Flüssigmist während der Säurezugabe gleichzeitig belüftet. Meist wird nicht die gesamte Flüssigmistmenge zurück in den Stall gepumpt, sondern ein Teil einem externen Lagerbehälter zugeführt. In den Flüssigmistkanälen im Stall wird somit dauerhaft Flüssigmist mit niedrigem pH-Wert vorgehalten.
[[Datei:Gülleansäuerung Stall.png|mini|800x800px|zentriert|Abb. 1: Schematische Darstellung der Gülleansäuerung im Stall (© KTBL)]]
=== 1.2 Erzielter Umweltnutzen ===
Die Ansäuerung von Flüssigmist dient der Emissionsminderung von Ammoniak (Fangueiro et al. 2015, Hou et al. 2015) und Methan (Ottosen et al. 2009, Petersen et al. 2014, 2012). Eine Minderung der Geruchsemissionen von Schweineställen ist nicht sicher nachweisbar (VERA 2016).
=== 1.3 Umweltleistung und Betriebsdaten ===
Messungen unter Praxisbedingungen zur Minderung der Ammoniakemissionen durch Ansäuerung wurden bisher in der Regel mit Schwefelsäure (H2SO4) durchgeführt. Durch die Ansäuerung von Rinderflüssigmist im Stall werden die Ammoniakemissionen im Vergleich zu unbehandeltem Flüssigmist um bis zu 50 % gemindert (Kupper 2017). Für die Behandlung von Schweineflüssigmist im Stall ist diese Minderung mit 60 bis 70 % etwas höher (VERA 2026, Kupper 2017). Hierbei wird jeweils von einer Absenkung des pH-Wertes auf Werte von 5,5 bis 6 ausgegangen. Dafür liegt die benötigte Säuremenge abhängig von der Pufferkapazität des jeweiligen Flüssigmists nach Angaben von Kupper (2017) und Kaupenjohann et al. (2019) für Rinderflüssigmist bei 5,5 bis 7,4 kg H<sub>2</sub>SO<sub>4</sub> je m<sup>3</sup> Flüssigmist. Für die Ansäuerung in Schweineflüssigmist werden teils deutlich höhere Säuremengen angeführt: Nach  VERA (2016) und Kai et al. (2022) werden basierend auf Messungen von Riis (2016a) und Riis und Jonassen (2018) 10 bis 14 kg H<sub>2</sub>SO<sub>4</sub> (96%) je m³ Schweineflüssigmist benötigt.
Die Ansäuerung führt auch zu einer Hemmung der Methanbildung im Flüssigmist. In Ställen ist diese Emissionsminderung schwer zu bestimmen, da ein Großteil der Methanemissionen nicht aus dem Flüssigmist, sondern aus der Verdauung der Tiere stammt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Minderung in derselben Größenordnung stattfindet, wie sie für die Lagerung von Flüssigmist in Außenbehältern beobachtet wird. In Untersuchungen von Petersen et al. (2012), Sommer et al. (2017) und Misselbrook et al. (2016), wurde bei der Lagerung von Rinderflüssigmist durch Ansäuerung eine Minderung der Methanemissionen um 60 bis 87 % erreicht; bei Schweinen von 80 bis über 90 % (Petersen et al. 2014, Wang et al. 2014).
=== 1.4 Medienübergreifende Auswirkungen ===
Die Ausbringung von angesäuertem Flüssigmist auf landwirtschaftlich genutzten Flächen kann zu einem Absinken des pH-Werts des Bodens führen, der mit einer zusätzlichen Kalkung ausgeglichen werden sollte. Von Sorensen (2016) wird der Bedarf für Rinder- und Schweineflüssigmist auf 153 kg Kalk/ha und 122 kg Kalk in CaCO<sub>3</sub>-Äquivalenten/ha geschätzt. Der Verbrauch an Kalk nimmt im Vergleich zu nicht angesäuertem Flüssigmist um rund 20 bis 25 % zu (Kupper 2017).
Der mit Schwefelsäure angesäuerte Flüssigmist weist erhöhte Schwefelgehalte auf. Eine Überdüngung mit Schwefel sollte vermieden werden und erfordert eine Anpassung der Ausbringmenge an den Schwefelbedarf der Pflanzen und den Versorgungszustand des Bodens.
Um Einträge von Schwermetallen in den Boden zu vermeiden, sollte außerdem darauf geachtet werden, dass Schwefelsäure mit sehr geringem Schwermetallgehalt eingesetzt wird (UBA und KTBL 2021).
Ein hoher Gehalt an anorganischem Schwefel im Flüssigmist kann potenziell zur Bildung von flüchtigen schwefelhaltigen Verbindungen (Eriksen et al. 2008) und somit zu Geruchsemissionen führen. Zudem ist Schwefelwasserstoff gesundheitsgefährdend für Mensch und Tier. Nach Angaben von Kupper (2017) liegt die Höchstkonzentration von Schwefelwasserstoff in der Stallluft bei 0,5 ppm. Deshalb wird der Flüssigmist nach Zugabe der Säure im externen Mischtank belüftet (Kaupenjohann et al. 2019, Kupper 2017, Riis 2016b) und überwacht. Bei einem ordnungsgemäßen Betrieb kann so eine erhöhte Bildung von H<sub>2</sub>S vermieden werden (VERA 2016, Kupper 2017).
=== 1.5 Auswirkungen auf das Tierwohl ===
Die Minderung von Ammoniakemissionen im Stall verbessert die Luftqualität für die Tiere im Stall (EFSA 2009).
=== 1.6 Für die Anwendbarkeit relevante technische Aspekte ===
Die Gülleansäuerung erfordert einen Umgang mit starken Säuren. Um die Sicherheit des Betriebspersonals zu gewährleisten, ist ein vollautomatisches Dosiersystem ohne manuellen Kontakt mit der Schwefelsäure sowie eine automatisierte Handhabung des Flüssigmists, einschließlich der Entleerungsvorgänge, erforderlich.
Um Unfälle und das Freisetzen von wassergefährdenden Stoffen zu vermeiden, sind zur Lagerung von konzentrierter Schwefelsäure doppelwandige Tanks sowie Rammschutzpoller zur Verhinderung von Anfahrschäden vorzusehen. Der Transport der Säure, der Unterhalt der Anlage und die Behebung von Störungen sollte vollständig von entsprechendem Fachpersonal bzw. Fachfirmen vorgenommen werden (Kupper 2017).
Um die Gefährdung durch die mögliche Bildung von H<sub>2</sub>S zu vermeiden, muss die Säuredosierung außerhalb des Stalls erfolgen (VERA 2016). Der Einsatz von organischen Säuren umgeht die H<sub>2</sub>S-Problematik ist aber kostenintensiver (LfL 2020).
In Deutschland müssen für die Lagerung von Jauche, Gülle und Sickersäften (JGS-Anlagen) die Bestimmungen der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV 2017) eingehalten werden. Für JGS-Anlagen enthält die AwSV eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der baulichen Anforderungen zum Gewässerschutz. Gegenwärtig gilt diese Ausnahmeregelung nicht für angesäuerten Flüssigmist. Für diesen werden höhere Anforderungen an den Bau des Flüssigmistlagers entsprechend von Anlagen zum Herstellen, Behandeln und Verwenden wassergefährdender Stoffe gefordert, z. B. Leckerkennung oder Auffangwanne bzw. doppelwandige Bauweise.
Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und der Technischen Universität München haben ergeben, dass das Schädigungspotenzial durch Betonkorrosion angesäuerten Flüssigmists für die verwendeten Betonlagerbehälter und Flüssigmistkanäle im Vergleich zu unbehandeltem Flüssigmist nicht signifikant erhöht ist. Für Neubauten wird jedoch aufgrund des höheren Sulfatgehaltes höhere Betonqualität empfohlen, also eine Erhöhung der Expositionsklasse von XA1 auf XA3 (LfL 2020). Für Bestandsanlagen kann je nach Betonqualität eine Beschichtung erforderlich sein.
Um mit der Gülleansäuerung eine Emissionsminderung zu erreichen, muss der Stall mit untereinander verbundenen Kanälen ausgestattet sein. Damit der Flüssigmist zirkulieren kann, werden Kanäle mit einer Kanaltiefe von mindestens 1,00 m empfohlen. Eine gleichmäßige Säurekonzentration im Flüssigmist wird erzielt, indem dieser regelmäßig homogenisiert wird.
Die Verwendung von mit Schwefelsäure angesäuertem Flüssigmist als Co-Substrat in Biogasanlagen beeinflusst die Biogasbildung. Untersuchungen von Moset et al. (2016) zeigen, dass die Zugabe von geringen Mengen angesäuertem Flüssigmist zu etwas höheren Methanausbeuten kommen kann. Bei einem höheren Anteil von z. B. 20 % angesäuertem Rinderflüssigmist sinkt dagegen die Methanausbeute um 30 %. Soll der Flüssigmist in einer Biogasanlage vergoren werden, ist eine Ansäuerung mit Schwefelsäure deshalb nicht zu empfehlen. Hier kann die Verwendung geeigneter organischer Säuren, die gut in Biogasanlagen abgebaut werden können, eine Alternative sein. Deren Aufwandmengen und Kosten sind jedoch in der Regel deutlich höher als die von Schwefelsäure.
Die hohen Schwefelgehalte in angesäuertem Flüssigmist können die Anwendbarkeit dieses Verfahrens auch aus pflanzenbaulicher Sicht deutlich einschränken. Um den Schwefelbedarf in der Düngung nicht zu überschreiten, ist es wahrscheinlich, dass nur eine Teilmenge des Flüssigmists angesäuert ausgebracht werden kann. Da bei diesem Verfahren jedoch der gesamte im Stall anfallende Flüssigmist angesäuert wird, sind die Möglichkeiten zur effizienten innerbetrieblichen Nutzung des anfallenden Flüssigmists möglicherweise stark eingeschränkt.
=== 1.7 Triebkraft für die Anwendung ===
Durch die Minderung von Ammoniakemissionen können Betriebe im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Stallneubauten oder -erweiterungen Anforderungen des Immissionsschutzes in Bezug auf den Schutz empfindlicher Pflanzen und Biotope vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Ammoniak bzw. Stickstoffdeposition einhalten. Geringere Abstände zu den entsprechenden Schutzgütern sind damit möglich.
== 2 Gülleansäuerung im Außenlager ==
Die Langzeitansäuerung des Flüssigmists mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert unter 6 während der Lagerung im Flüssigmistaußenlager reduziert die Emissionen von Ammoniak und Methan.
=== 2.1 Technische Beschreibung ===
Die Emissionsminderung bzw. Freisetzung von gasförmigem Ammoniak (NH<sub>3</sub>) aus der flüssigen Phase basiert auf dem pH-Wert-abhängigen chemischen Gleichgewicht zwischen Ammoniak und Ammonium (NH<sub>4</sub><sup>+</sup>). Durch Zugabe von Säure zu Wirtschaftsdüngern wird das NH<sub>4</sub><sup>+</sup>/NH<sub>3</sub>-Gleichgewicht in Richtung Ammonium verschoben. Der für eine wirksame Verringerung der NH<sub>3</sub>-Emissionen aus Flüssigmist anzustrebende pH-Wert sollte unter 6 liegen (Kaupenjohann et al. 2019). In der Praxis wird ein pH-Wert von 5,5 empfohlen (The Danish Ministry for the Environment 2015).
Zur Ansäuerung wird in der Regel technische Schwefelsäure (Konzentration: 96 %) eingesetzt. Es können aber auch andere organische und anorganische Säuren verwendet werden (Kaupenjohann et al. 2019). Die Menge der Säure richtet sich hierbei nach der Pufferkapazität des Flüssigmists und dem angestrebten pH-Wert. Bei Rinderflüssigmist wird eine geringere Menge an Säure benötigt als bei Schweineflüssigmist oder Gärresten (LfL 2020, Kaupenjohann et al. 2019).
Wird der Flüssigmist im Lager angesäuert, erfolgt die Säurezugabe unter intensivem Durchmischen des Flüssigmists, solange bis der pH-Wert ausreichend abgesenkt wird. Mit Messelektroden wird der pH-Wert kontinuierlich geprüft und die Säure dementsprechend dosiert (Abb. 2).
[[Datei:Gülleansäuerung Lager.png|mini|800x800px|zentriert|Abb. 2: Schematische Darstellung der Gülleansäuerung im Lager (© KTBL)]]
=== 2.2 Erzielter Umweltnutzen ===
Die Ansäuerung von Flüssigmist dient der Emissionsminderung von Ammoniak (Fangueiro et al. 2015, Hou et al. 2015) und Methan (Ottosen et al. 2009).
=== 2.3 Umweltleistung und Betriebsdaten ===
Für die Ansäuerung von Flüssigmist im Außenlager (pH 5,5) beschreibt Kupper (2017) in seiner Literaturstudie eine Emissionsminderung von Ammoniak von über 70 %. Laboruntersuchungen mit Rindergülle ergaben eine Minderung der Ammoniakemissionen von 94 bis 97 % im Vergleich zu unbehandeltem Flüssigmist (Petersen et al. 2012). In Pilotanlagen mit einem Inhalt von 6,5 m³ wurde von Misselbrook et al. (2016) für Rindergülle eine Ammoniakemissionsminderung von 75 % festgestellt. Regueiro et al. (2016) haben in entsprechenden Versuchen für Schweinegülle eine Emissionsminderung von 8 % gemessen.
Neben der Minderung der Ammoniakemission wird durch das Absenken des pH-Wertes auch die mikrobielle Aktivität und somit die Methanogenese gehemmt (Ottosen et al. 2009, Petersen et al. 2014, 2012). Petersen et al. (2012) konnten in einem 3-monatigen Lagerungsversuch bei einer Absenkung des pH-Wertes des Flüssigmists mit Schwefelsäure auf pH 5,5 eine Minderung der Methanemissionen von 67 bis 87 % feststellen. Weitere Untersuchungen von Misselbrook et al. (2016) erreichten bei einer Ansäuerung mit Schwefelsäure eine Minderung der Methanemissionen von 75 %.
=== 2.4 Medienübergreifende Auswirkungen ===
Die Ausbringung von im Außenlager angesäuertem Flüssigmist kann zu einem Absinken des pH-Wertes des Bodens führen, der mit einer zusätzlichen Kalkung ausgeglichen werden sollte. Der Bedarf an Kalk wird dabei von Sorensen (2016) auf 153 kg/ha und 122 kg/ha (in CaCO<sub>3</sub>-Äquivalenten) für Rinder- bzw. Schweineflüssigmist geschätzt. Der Verbrauch an Kalk nimmt im Vergleich zu nicht angesäuertem Flüssigmist um rund 20–25 % zu (Kupper 2017).
Der mit Schwefelsäure angesäuerte Flüssigmist weist erhöhte Schwefelgehalte auf. Eine Überdüngung mit Schwefel sollte vermieden werden und erfordert eine Anpassung der Ausbringmenge an den Schwefelbedarf der Pflanzen und den Versorgungszustand des Bodens.
Um Einträge von Schwermetallen in den Boden zu vermeiden, sollte außerdem darauf geachtet werden, dass Schwefelsäure mit sehr geringem Schwermetallgehalt eingesetzt wird (UBA und KTBL 2021).
=== 2.5 Auswirkungen auf das Tierwohl ===
Da die Ansäuerung außerhalb des Tierbereichs erfolgt, hat diese keinen Einfluss auf das Tierwohl.
=== 2.6 Für die Anwendbarkeit relevante technische Aspekte ===
Der Umgang mit starken Säuren ist gefährlich. Um die Sicherheit des Betriebspersonals zu gewährleisten, ist ein vollautomatisches Dosiersystem ohne manuellen Kontakt mit Schwefelsäure sowie eine automatisierte Handhabung des Flüssigmists, einschließlich der Entleerungsvorgänge, erforderlich.
In Deutschland müssen für die Lagerung von Jauche, Gülle und Sickersäften (JGS-Anlagen) die Bestimmungen der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV 2017) eingehalten werden. Für JGS-Anlagen enthält die AwSV (2017) eine Ausnahmeregelung für bauliche Anforderungen zum Gewässerschutz. Gegenwärtig gilt diese Ausnahmeregelung nicht für angesäuerten Flüssigmist. Der Referentenentwurf vom November 2019 deutet darauf hin, dass zur Änderung der AwSV 2017 „technisch reine Stoffe zur Ansäuerung von Gülle zur Verringerung der Ammoniakemissionen“ in Zukunft verwendet werden dürfen und ohne Zusatzaufwendungen in JGS-Anlagen gelagert werden können.
Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und der Technischen Universität München haben ergeben, dass das Schädigungspotenzial angesäuerten Flüssigmists für die verwendeten Betonlagerbehälter und Flüssigmistkanäle im Vergleich zum unbehandelten Flüssigmist nicht signifikant erhöht ist. Für Neubauten wird jedoch aufgrund des höheren Sulfatgehaltes höhere Betonqualität empfohlen, also eine Erhöhung der Expositionsklasse von XA1 auf XA3 (LfL 2020).
Nach Peters (2016) ist in Dänemark eine Inspektion von Flüssigmistbehältern, in denen Flüssigmist angesäuert wird, im Abstand von 10 Jahren und von Behältern in der Nähe von Oberflächengewässern alle 5 Jahre vorgeschrieben (Kupper 2017).
Die hohen Schwefelgehalte in mit Schwefelsäure angesäuertem Flüssigmist können die Anwendbarkeit dieses Verfahrens aus pflanzenbaulicher Sicht einschränken, wenn der gesamte Flüssigmist des Betriebs angesäuert wird. Es kann sein, dass nur eine Teilmenge des Flüssigmists angesäuert ausgebracht werden kann, um Bedarfswerte der Schwefeldüngung nicht zu überschreiten.
=== 2.7 Triebkraft für die Anwendung ===
Motivation für den Einsatz dieser Technik sind hohe Minderungseffekte für Ammoniak und Methan.
== 3 Literatur ==
AwSV (2017): Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vom 18. April 2017 (BGBl. I S. 905)
Botermans, J.; Gustafsson, G.; Jeppsson, K.-H.; Brown, N.; Rodhe, L. (2010): Measures to reduce ammonia emissions in pig production – Review. Landscape horticulture agriculture 12, Alnarp, Faculty of Landscape Planning, Horticulture and Agricultural Science
EFSA (2009): Scientific report on the effects of farming systems on dairy cow welfare and disease. Report of the Panel on Animal Health and Welfare. EFSA Journal 1143, European Food Safety Authority
Eriksen, J.; Sørensen, P.; Elsgaard, L. (2008): The Fate of Sulfate in Acidified Pig Slurry during Storage and Following Application to Cropped Soil. Journal of Environment Quality 37(1), pp. 280–286, https://www.doi.org/10.2134/jeq2007.0317
Fangueiro, D.; Hjorth, M.; Gioelli, F. (2015): Acidification of animal slurry - a review. Journal of Environmental Management 149, pp. 46–56, https://www.doi.org/10.1016/j.jenvman.2014.10.001
Hou, Y.; Velthof, G.L.; Oenema, O. (2015): Mitigation of ammonia, nitrous oxide and methane emissions from manure management chains: a meta-analysis and integrated assessment. Global Change Biology 21(3), pp. 1293–1312, https://www.doi.org/10.1111/gcb.12767
Kai, P.; Adamsen, A.P.S.; Callesen, G.M.; Jacobsen, B.H. (2022): Svovlsyreforsuring af gylle i grisestalde. Teknologibeskrivelse udarbejdet som grundlag for revidering af Husdyrgodkendelsesbekendtgørelsens BAT-krav.
Kaupenjohann, M.; Schnug, E.; Haneklaus, S.; Döhler, H.; Nebelsieck, R.; Fock, K. (2019): Gutachten zur Anwendung von Minderungstechniken für Ammoniak durch "Ansäuerung von Gülle" und deren Wirkungen auf Boden und Umwelt. Abschlussbericht, TEXTE 148, Dessau-Roßlau, Umweltbundesamt
Kupper, T. (2017): Beurteilung der Ansäuerung von Gülle als Maßnahme zur Reduktion von Ammoniakemissionen in der Schweiz - Aktueller Stand. https://agrammon.ch/assets/Documents/Bericht-Ansaeuerung-Guelle-20170123v.pdf, Zugriff am 08.04.2022
LfL (2020): Bewertung von pH-Wert senkenden Systemen durch Ansäuerung zur Verringerung der Ammoniakemissionen in Stall und Feld. Projektbericht, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Misselbrook, T.; Hunt, J.; Perazzolo, F.; Provolo, G. (2016): Greenhouse Gas and Ammonia Emissions from Slurry Storage: Impacts of Temperature and Potential Mitigation through Covering (Pig Slurry) or Acidification (Cattle Slurry). Journal of Environment Quality 45(16), pp. 1520–1530, https://www.doi.org/10.2134/jeq2015.12.0618
Moset, V.; Mørck Ottosen, L.D.; Almeida Neves Xavier, C. de; Bjarne Møller, H. (2016): Anaerobic digestion of sulfate-acidified cattle slurry: One-stage vs. two-stage. Journal of Environmental Management 173(3), pp. 127–133, https://doi.org/10.1016/j.jenvman.2016.02.039
Ottosen, L.D.M.; Poulsen, H.V.; Nielsen, D.A.; Finster, K.; Nielsen, L.P.; Revsbech, N.P. (2009): Observations on microbial activity in acidified pig slurry. Biosystems Engineering 102(3), pp. 291–297, https://www.doi.org/10.1016/j.biosystemseng.2008.12.003
Petersen, S.O.; Andersen, A.J.; Eriksen, J. (2012): Effects of Cattle Slurry Acidification on Ammonia and Methane Evolution during Storage. Journal of Environmental Quality 41, pp. 88–94, https://www.doi.org/10.2134/jeq2011.0184
Petersen, S.O.; Højberg, O.; Poulsen, M.; Schwab, C.; Eriksen, J. (2014): Methanogenic community changes, and emissions of methane and other gases, during storage of acidified and untreated pig slurry. Journal of Applied Microbiology 117(1), pp. 160–172, https://www.doi.org/10.1111/jam.12498
Regueiro, I.; Coutinho, J.; Fangueiro, D. (2016): Alternatives to sulfuric acid for slurry acidification: impact on slurry composition and ammonia emissions during storage. Journal of Cleaner Production 131, pp. 296–307, https://www.doi.org/10.1016/j.jclepro.2016.05.032
Riis, A.L. (2016a): Effekt af JH Forsuring NH4+ i slagtesvinestalde med draenet gulv. Landbrug & Fødevarer Sektor for Gris, Meddelelse Nr. 1078, https://svineproduktion.dk/publikationer/kilder/lu_medd/2016/1078, Zugriff am 07.11.2024
Riis, A.L. (2016b): JH Forsuring NH4+ Jørgen Hyldgaard Staldservice A/S. VERA TEST REPORT, Danish Agriculture & Food Council, Pig Research Centre. 41, https://jhagro.de/wp-content/uploads/sites/8/2021/02/VERA-report_JH_Forsuring_Revision_april_28_2016.pdf, access 07.04.2022
Riis, A.L.; Jonassen, K. (2018): Test af forsuringshyppighed i svinestalde. Landbrug & Fødevarer Sektor for Gris, Meddelelse Nr. 1130, https://svineproduktion.dk/publikationer/kilder/lu_medd/2018/1130, Zugriff am 07.11.2024
Sommer, S.G.; Clough, T.J.; Balaine, N.; Hafner, S.D.; Cameron, K.C. (2017): Transformation of Organic Matter and the Emissions of Methane and Ammonia during Storage of Liquid Manure as Affected by Acidification. Journal of Environment Quality 46(3), pp. 514–521, https://www.doi.org/10.2134/jeq2016.10.0409
The Danish Ministry for the Environment (2015): Staldindretning - Svovlsyrebehandling af gylle. The Danish Ministry for the Environment, https://mst.dk/media/pmhll4dz/malkekvaeg_svovlsyrebehandlingafgylle_version4.pdf, Zugriff am 04.02.2022
UBA; KTBL (2021): Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft mindern. Gute Fachliche Praxis., Umweltbundesamt, Fachgebiet II 4.3 Luftreinhaltung und terrestrische Ökosysteme; Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V.
VERA (2016):  VERA Verifizierungsurkunde für Gülleansäuerungssystem JH Forsuring NH4+ (Deutsch). VERA Verifizierung Nr. 006, Internationales VERA Sekretariat, Groß-Umstadt. https://www.vera-verification.eu/app/uploads/sites/9/2019/05/VERA-Urkunde006_JH-Forsuring-NH4-DE.pdf
Wang, K.; Huang, D.; Ying, H.; Luo, H. (2014): Effects of acidification during storage on emissions of methane, ammonia, and hydrogen sulfide from digested pig slurry. Biosystems Engineering 122, pp. 23 –30, https://doi.org/10.1016/j.biosystemseng.2014.03.002
[[Kategorie:Emissionsmindernde Maßnahmen Rind]]
[[Kategorie:Rind]]
[[Kategorie:Emissionsmindernde Maßnahmen Schwein]]
[[Kategorie:Schwein]]

Version vom 11. November 2024, 09:59 Uhr

1 Gülleansäuerung im Stall

Durch die Langzeitansäuerung von Flüssigmist mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert unter 6 können die Emissionen von Ammoniak und Methan in Ställen mit perforierten Böden reduziert werden.

1.1 Technische Beschreibung

Die Freisetzung von gasförmigem Ammoniak (NH3) aus der flüssigen Phase basiert auf dem pH-Wert-abhängigen chemischen Gleichgewicht zwischen Ammoniak und Ammonium (NH4+). Durch Zugabe von Säure zu flüssigen Wirtschaftsdüngern wird das NH4+/NH3-Gleichgewicht in Richtung Ammonium verschoben. Der für eine wirksame Verringerung der NH3-Emissionen aus dem Flüssigmist anzustrebende pH-Wert sollte unter 6 liegen (Kaupenjohann et al. 2019). In der Praxis wird ein pH-Wert von 5,5 empfohlen (The Danish Ministry for the Environment 2015). Zur Ansäuerung wird in der Regel technische Schwefelsäure (Konzentration: 96 %) eingesetzt. Es können aber auch andere organische und anorganische Säuren verwendet werden (Kaupenjohann et al. 2019). Die Menge der Säure richtet sich nach der Pufferkapazität des Flüssigmists und dem angestrebten pH-Wert. Bei Rinderflüssigmist wird eine geringere Menge an Säure benötigt als bei Schweineflüssigmist oder Gärresten (LfL 2020, Kaupenjohann et al. 2019). In der Praxis wird der Flüssigmist zur Ansäuerung in einen Mischtank außerhalb des Stalls befördert (Abb. 1). Die Zumischung der Schwefelsäure erfolgt täglich oder mehrmals pro Woche, gesteuert durch eine gleichzeitige pH-Messung bis zum Ziel-pH-Wert (Kupper 2017). Da Flüssigmist eine hohe Pufferkapazität aufweist, und der pH-Wert daher nach Säurezugabe wieder ansteigen kann, ist es notwendig, den pH-Wert im Mischbehälter nach kurzer Zeit zu kontrollieren. Um die Bildung von Schaum (Fangueiro et al. 2015) und von Schwefelwasserstoff (Botermans et al. 2010) zu vermeiden, wird der Flüssigmist während der Säurezugabe gleichzeitig belüftet. Meist wird nicht die gesamte Flüssigmistmenge zurück in den Stall gepumpt, sondern ein Teil einem externen Lagerbehälter zugeführt. In den Flüssigmistkanälen im Stall wird somit dauerhaft Flüssigmist mit niedrigem pH-Wert vorgehalten.

Abb. 1: Schematische Darstellung der Gülleansäuerung im Stall (© KTBL)

1.2 Erzielter Umweltnutzen

Die Ansäuerung von Flüssigmist dient der Emissionsminderung von Ammoniak (Fangueiro et al. 2015, Hou et al. 2015) und Methan (Ottosen et al. 2009, Petersen et al. 2014, 2012). Eine Minderung der Geruchsemissionen von Schweineställen ist nicht sicher nachweisbar (VERA 2016).

1.3 Umweltleistung und Betriebsdaten

Messungen unter Praxisbedingungen zur Minderung der Ammoniakemissionen durch Ansäuerung wurden bisher in der Regel mit Schwefelsäure (H2SO4) durchgeführt. Durch die Ansäuerung von Rinderflüssigmist im Stall werden die Ammoniakemissionen im Vergleich zu unbehandeltem Flüssigmist um bis zu 50 % gemindert (Kupper 2017). Für die Behandlung von Schweineflüssigmist im Stall ist diese Minderung mit 60 bis 70 % etwas höher (VERA 2026, Kupper 2017). Hierbei wird jeweils von einer Absenkung des pH-Wertes auf Werte von 5,5 bis 6 ausgegangen. Dafür liegt die benötigte Säuremenge abhängig von der Pufferkapazität des jeweiligen Flüssigmists nach Angaben von Kupper (2017) und Kaupenjohann et al. (2019) für Rinderflüssigmist bei 5,5 bis 7,4 kg H2SO4 je m3 Flüssigmist. Für die Ansäuerung in Schweineflüssigmist werden teils deutlich höhere Säuremengen angeführt: Nach VERA (2016) und Kai et al. (2022) werden basierend auf Messungen von Riis (2016a) und Riis und Jonassen (2018) 10 bis 14 kg H2SO4 (96%) je m³ Schweineflüssigmist benötigt. Die Ansäuerung führt auch zu einer Hemmung der Methanbildung im Flüssigmist. In Ställen ist diese Emissionsminderung schwer zu bestimmen, da ein Großteil der Methanemissionen nicht aus dem Flüssigmist, sondern aus der Verdauung der Tiere stammt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Minderung in derselben Größenordnung stattfindet, wie sie für die Lagerung von Flüssigmist in Außenbehältern beobachtet wird. In Untersuchungen von Petersen et al. (2012), Sommer et al. (2017) und Misselbrook et al. (2016), wurde bei der Lagerung von Rinderflüssigmist durch Ansäuerung eine Minderung der Methanemissionen um 60 bis 87 % erreicht; bei Schweinen von 80 bis über 90 % (Petersen et al. 2014, Wang et al. 2014).

1.4 Medienübergreifende Auswirkungen

Die Ausbringung von angesäuertem Flüssigmist auf landwirtschaftlich genutzten Flächen kann zu einem Absinken des pH-Werts des Bodens führen, der mit einer zusätzlichen Kalkung ausgeglichen werden sollte. Von Sorensen (2016) wird der Bedarf für Rinder- und Schweineflüssigmist auf 153 kg Kalk/ha und 122 kg Kalk in CaCO3-Äquivalenten/ha geschätzt. Der Verbrauch an Kalk nimmt im Vergleich zu nicht angesäuertem Flüssigmist um rund 20 bis 25 % zu (Kupper 2017). Der mit Schwefelsäure angesäuerte Flüssigmist weist erhöhte Schwefelgehalte auf. Eine Überdüngung mit Schwefel sollte vermieden werden und erfordert eine Anpassung der Ausbringmenge an den Schwefelbedarf der Pflanzen und den Versorgungszustand des Bodens. Um Einträge von Schwermetallen in den Boden zu vermeiden, sollte außerdem darauf geachtet werden, dass Schwefelsäure mit sehr geringem Schwermetallgehalt eingesetzt wird (UBA und KTBL 2021). Ein hoher Gehalt an anorganischem Schwefel im Flüssigmist kann potenziell zur Bildung von flüchtigen schwefelhaltigen Verbindungen (Eriksen et al. 2008) und somit zu Geruchsemissionen führen. Zudem ist Schwefelwasserstoff gesundheitsgefährdend für Mensch und Tier. Nach Angaben von Kupper (2017) liegt die Höchstkonzentration von Schwefelwasserstoff in der Stallluft bei 0,5 ppm. Deshalb wird der Flüssigmist nach Zugabe der Säure im externen Mischtank belüftet (Kaupenjohann et al. 2019, Kupper 2017, Riis 2016b) und überwacht. Bei einem ordnungsgemäßen Betrieb kann so eine erhöhte Bildung von H2S vermieden werden (VERA 2016, Kupper 2017).

1.5 Auswirkungen auf das Tierwohl

Die Minderung von Ammoniakemissionen im Stall verbessert die Luftqualität für die Tiere im Stall (EFSA 2009).

1.6 Für die Anwendbarkeit relevante technische Aspekte

Die Gülleansäuerung erfordert einen Umgang mit starken Säuren. Um die Sicherheit des Betriebspersonals zu gewährleisten, ist ein vollautomatisches Dosiersystem ohne manuellen Kontakt mit der Schwefelsäure sowie eine automatisierte Handhabung des Flüssigmists, einschließlich der Entleerungsvorgänge, erforderlich. Um Unfälle und das Freisetzen von wassergefährdenden Stoffen zu vermeiden, sind zur Lagerung von konzentrierter Schwefelsäure doppelwandige Tanks sowie Rammschutzpoller zur Verhinderung von Anfahrschäden vorzusehen. Der Transport der Säure, der Unterhalt der Anlage und die Behebung von Störungen sollte vollständig von entsprechendem Fachpersonal bzw. Fachfirmen vorgenommen werden (Kupper 2017). Um die Gefährdung durch die mögliche Bildung von H2S zu vermeiden, muss die Säuredosierung außerhalb des Stalls erfolgen (VERA 2016). Der Einsatz von organischen Säuren umgeht die H2S-Problematik ist aber kostenintensiver (LfL 2020). In Deutschland müssen für die Lagerung von Jauche, Gülle und Sickersäften (JGS-Anlagen) die Bestimmungen der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV 2017) eingehalten werden. Für JGS-Anlagen enthält die AwSV eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der baulichen Anforderungen zum Gewässerschutz. Gegenwärtig gilt diese Ausnahmeregelung nicht für angesäuerten Flüssigmist. Für diesen werden höhere Anforderungen an den Bau des Flüssigmistlagers entsprechend von Anlagen zum Herstellen, Behandeln und Verwenden wassergefährdender Stoffe gefordert, z. B. Leckerkennung oder Auffangwanne bzw. doppelwandige Bauweise. Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und der Technischen Universität München haben ergeben, dass das Schädigungspotenzial durch Betonkorrosion angesäuerten Flüssigmists für die verwendeten Betonlagerbehälter und Flüssigmistkanäle im Vergleich zu unbehandeltem Flüssigmist nicht signifikant erhöht ist. Für Neubauten wird jedoch aufgrund des höheren Sulfatgehaltes höhere Betonqualität empfohlen, also eine Erhöhung der Expositionsklasse von XA1 auf XA3 (LfL 2020). Für Bestandsanlagen kann je nach Betonqualität eine Beschichtung erforderlich sein. Um mit der Gülleansäuerung eine Emissionsminderung zu erreichen, muss der Stall mit untereinander verbundenen Kanälen ausgestattet sein. Damit der Flüssigmist zirkulieren kann, werden Kanäle mit einer Kanaltiefe von mindestens 1,00 m empfohlen. Eine gleichmäßige Säurekonzentration im Flüssigmist wird erzielt, indem dieser regelmäßig homogenisiert wird. Die Verwendung von mit Schwefelsäure angesäuertem Flüssigmist als Co-Substrat in Biogasanlagen beeinflusst die Biogasbildung. Untersuchungen von Moset et al. (2016) zeigen, dass die Zugabe von geringen Mengen angesäuertem Flüssigmist zu etwas höheren Methanausbeuten kommen kann. Bei einem höheren Anteil von z. B. 20 % angesäuertem Rinderflüssigmist sinkt dagegen die Methanausbeute um 30 %. Soll der Flüssigmist in einer Biogasanlage vergoren werden, ist eine Ansäuerung mit Schwefelsäure deshalb nicht zu empfehlen. Hier kann die Verwendung geeigneter organischer Säuren, die gut in Biogasanlagen abgebaut werden können, eine Alternative sein. Deren Aufwandmengen und Kosten sind jedoch in der Regel deutlich höher als die von Schwefelsäure. Die hohen Schwefelgehalte in angesäuertem Flüssigmist können die Anwendbarkeit dieses Verfahrens auch aus pflanzenbaulicher Sicht deutlich einschränken. Um den Schwefelbedarf in der Düngung nicht zu überschreiten, ist es wahrscheinlich, dass nur eine Teilmenge des Flüssigmists angesäuert ausgebracht werden kann. Da bei diesem Verfahren jedoch der gesamte im Stall anfallende Flüssigmist angesäuert wird, sind die Möglichkeiten zur effizienten innerbetrieblichen Nutzung des anfallenden Flüssigmists möglicherweise stark eingeschränkt.

1.7 Triebkraft für die Anwendung

Durch die Minderung von Ammoniakemissionen können Betriebe im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Stallneubauten oder -erweiterungen Anforderungen des Immissionsschutzes in Bezug auf den Schutz empfindlicher Pflanzen und Biotope vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Ammoniak bzw. Stickstoffdeposition einhalten. Geringere Abstände zu den entsprechenden Schutzgütern sind damit möglich.

2 Gülleansäuerung im Außenlager

Die Langzeitansäuerung des Flüssigmists mit Schwefelsäure auf einen pH-Wert unter 6 während der Lagerung im Flüssigmistaußenlager reduziert die Emissionen von Ammoniak und Methan.

2.1 Technische Beschreibung

Die Emissionsminderung bzw. Freisetzung von gasförmigem Ammoniak (NH3) aus der flüssigen Phase basiert auf dem pH-Wert-abhängigen chemischen Gleichgewicht zwischen Ammoniak und Ammonium (NH4+). Durch Zugabe von Säure zu Wirtschaftsdüngern wird das NH4+/NH3-Gleichgewicht in Richtung Ammonium verschoben. Der für eine wirksame Verringerung der NH3-Emissionen aus Flüssigmist anzustrebende pH-Wert sollte unter 6 liegen (Kaupenjohann et al. 2019). In der Praxis wird ein pH-Wert von 5,5 empfohlen (The Danish Ministry for the Environment 2015). Zur Ansäuerung wird in der Regel technische Schwefelsäure (Konzentration: 96 %) eingesetzt. Es können aber auch andere organische und anorganische Säuren verwendet werden (Kaupenjohann et al. 2019). Die Menge der Säure richtet sich hierbei nach der Pufferkapazität des Flüssigmists und dem angestrebten pH-Wert. Bei Rinderflüssigmist wird eine geringere Menge an Säure benötigt als bei Schweineflüssigmist oder Gärresten (LfL 2020, Kaupenjohann et al. 2019). Wird der Flüssigmist im Lager angesäuert, erfolgt die Säurezugabe unter intensivem Durchmischen des Flüssigmists, solange bis der pH-Wert ausreichend abgesenkt wird. Mit Messelektroden wird der pH-Wert kontinuierlich geprüft und die Säure dementsprechend dosiert (Abb. 2).

Abb. 2: Schematische Darstellung der Gülleansäuerung im Lager (© KTBL)

2.2 Erzielter Umweltnutzen

Die Ansäuerung von Flüssigmist dient der Emissionsminderung von Ammoniak (Fangueiro et al. 2015, Hou et al. 2015) und Methan (Ottosen et al. 2009).

2.3 Umweltleistung und Betriebsdaten

Für die Ansäuerung von Flüssigmist im Außenlager (pH 5,5) beschreibt Kupper (2017) in seiner Literaturstudie eine Emissionsminderung von Ammoniak von über 70 %. Laboruntersuchungen mit Rindergülle ergaben eine Minderung der Ammoniakemissionen von 94 bis 97 % im Vergleich zu unbehandeltem Flüssigmist (Petersen et al. 2012). In Pilotanlagen mit einem Inhalt von 6,5 m³ wurde von Misselbrook et al. (2016) für Rindergülle eine Ammoniakemissionsminderung von 75 % festgestellt. Regueiro et al. (2016) haben in entsprechenden Versuchen für Schweinegülle eine Emissionsminderung von 8 % gemessen. Neben der Minderung der Ammoniakemission wird durch das Absenken des pH-Wertes auch die mikrobielle Aktivität und somit die Methanogenese gehemmt (Ottosen et al. 2009, Petersen et al. 2014, 2012). Petersen et al. (2012) konnten in einem 3-monatigen Lagerungsversuch bei einer Absenkung des pH-Wertes des Flüssigmists mit Schwefelsäure auf pH 5,5 eine Minderung der Methanemissionen von 67 bis 87 % feststellen. Weitere Untersuchungen von Misselbrook et al. (2016) erreichten bei einer Ansäuerung mit Schwefelsäure eine Minderung der Methanemissionen von 75 %.

2.4 Medienübergreifende Auswirkungen

Die Ausbringung von im Außenlager angesäuertem Flüssigmist kann zu einem Absinken des pH-Wertes des Bodens führen, der mit einer zusätzlichen Kalkung ausgeglichen werden sollte. Der Bedarf an Kalk wird dabei von Sorensen (2016) auf 153 kg/ha und 122 kg/ha (in CaCO3-Äquivalenten) für Rinder- bzw. Schweineflüssigmist geschätzt. Der Verbrauch an Kalk nimmt im Vergleich zu nicht angesäuertem Flüssigmist um rund 20–25 % zu (Kupper 2017). Der mit Schwefelsäure angesäuerte Flüssigmist weist erhöhte Schwefelgehalte auf. Eine Überdüngung mit Schwefel sollte vermieden werden und erfordert eine Anpassung der Ausbringmenge an den Schwefelbedarf der Pflanzen und den Versorgungszustand des Bodens. Um Einträge von Schwermetallen in den Boden zu vermeiden, sollte außerdem darauf geachtet werden, dass Schwefelsäure mit sehr geringem Schwermetallgehalt eingesetzt wird (UBA und KTBL 2021).

2.5 Auswirkungen auf das Tierwohl

Da die Ansäuerung außerhalb des Tierbereichs erfolgt, hat diese keinen Einfluss auf das Tierwohl.

2.6 Für die Anwendbarkeit relevante technische Aspekte

Der Umgang mit starken Säuren ist gefährlich. Um die Sicherheit des Betriebspersonals zu gewährleisten, ist ein vollautomatisches Dosiersystem ohne manuellen Kontakt mit Schwefelsäure sowie eine automatisierte Handhabung des Flüssigmists, einschließlich der Entleerungsvorgänge, erforderlich. In Deutschland müssen für die Lagerung von Jauche, Gülle und Sickersäften (JGS-Anlagen) die Bestimmungen der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV 2017) eingehalten werden. Für JGS-Anlagen enthält die AwSV (2017) eine Ausnahmeregelung für bauliche Anforderungen zum Gewässerschutz. Gegenwärtig gilt diese Ausnahmeregelung nicht für angesäuerten Flüssigmist. Der Referentenentwurf vom November 2019 deutet darauf hin, dass zur Änderung der AwSV 2017 „technisch reine Stoffe zur Ansäuerung von Gülle zur Verringerung der Ammoniakemissionen“ in Zukunft verwendet werden dürfen und ohne Zusatzaufwendungen in JGS-Anlagen gelagert werden können. Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und der Technischen Universität München haben ergeben, dass das Schädigungspotenzial angesäuerten Flüssigmists für die verwendeten Betonlagerbehälter und Flüssigmistkanäle im Vergleich zum unbehandelten Flüssigmist nicht signifikant erhöht ist. Für Neubauten wird jedoch aufgrund des höheren Sulfatgehaltes höhere Betonqualität empfohlen, also eine Erhöhung der Expositionsklasse von XA1 auf XA3 (LfL 2020). Nach Peters (2016) ist in Dänemark eine Inspektion von Flüssigmistbehältern, in denen Flüssigmist angesäuert wird, im Abstand von 10 Jahren und von Behältern in der Nähe von Oberflächengewässern alle 5 Jahre vorgeschrieben (Kupper 2017). Die hohen Schwefelgehalte in mit Schwefelsäure angesäuertem Flüssigmist können die Anwendbarkeit dieses Verfahrens aus pflanzenbaulicher Sicht einschränken, wenn der gesamte Flüssigmist des Betriebs angesäuert wird. Es kann sein, dass nur eine Teilmenge des Flüssigmists angesäuert ausgebracht werden kann, um Bedarfswerte der Schwefeldüngung nicht zu überschreiten.

2.7 Triebkraft für die Anwendung

Motivation für den Einsatz dieser Technik sind hohe Minderungseffekte für Ammoniak und Methan.

3 Literatur

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